Provenienzforschung
„Die schöne Sammlung im Hause Heinemann ist mir wohl bekannt” –
Forschungen zur Provenienz der Erwerbungen des Museum Lüneburg
Provenienzforschung: Anneke de Rudder M.A. (04/2014 bis 01/2016, verlängert bis 03/2018)
In der Washingtoner Erklärung von 1998 verpflichtete sich die Bundesrepublik, in Museen und anderen Institutionen nach Kulturgütern zu recherchieren, die in der NS-Zeit verfolgungsbedingt entzogen wurden. Zwischen 2014 und 2016 wurde auch im Museum Lüneburg gezielt nach NS-Raubkunst gesucht, gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste. Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts standen dabei Erwerbungen von 1940 aus dem Nachlass Marcus Heinemanns, einem alten Freund und Förderer des Museums.
Das Museum Lüneburg ist der institutionelle Nachfolger des Museums für das Fürstentum Lüneburg, das von 1878 bis 2011 in der privaten Trägerschaft des Museumsvereins stand. Das Projekt zur Provenienzforschung widmete sich der Frage, wie das Museum in den Prozess der unrechtmäßigen Entziehung von Kunst- und Kulturgut eingebunden war. Neben der Rekonstruktion von Besitzübergängen stand dabei die Geschichte der mit diesen Objekten verbundenen Menschen im Zentrum. Oder, in den Worten von Kulturstaatsministerin Monika Grütters: „Wir wissen nur vom Umfang des menschlichen Leids, das hinter jedem Objekt und seiner Geschichte wieder aufschimmert. Und es geht uns weniger um den materiellen Ausgleich, als darum, an diese Leidensgeschichte und die zerstörten Biografien zu erinnern. Wir wollen uns auch dazu verpflichten, diesen Ausgleich in unserer Geschichte wenigstens durch das Anerkennen der Opferbiografien zu leisten.”
Das Forschungsprojekt verfolgte drei Ziele und ein übergeordnetes Anliegen:
- Die Aufklärung des konkreten Falls der Erwerbungen aus dem Nachlass des Lüneburger jüdischen Bankiers Marcus Heinemann im Jahre 1940. Dieses Ziel ist im ersten Jahr des Projekts erreicht worden: Die Recherchen ergaben, dass die damals erworbenen Objekte in der Tat NS-Raubkunst darstellen und insofern an die rechtmäßigen Erben restituiert werden sollten. Daraufhin hat der Museumsverein im Juli 2015 in einer feierlichen Zeremonie die Objekte an die Erben Marcus Heinemanns zurückgegeben. Die Erben haben sich ihrerseits darauf verständigt, die Objekte dem Museum als Leihgabe zur Verfügung zu stellen.
Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste hat diesen Erfolg auf seiner Website herausgehoben: „Das Beispiel des Museum Lüneburg zeigt ein weiteres Mal eindrucksvoll, wie wichtig es ist, aktiv Provenienzforschung zu betreiben, die Erben ermordeter und vertriebener jüdischer Kunstsammler ausfindig zu machen, mit ihnen in einen vertrauensvollen Dialog zu treten und gemeinsam nach fairen und gerechten Lösungen im Sinne der Prinzipien der Washingtoner Konferenz zu suchen. Es zeigt ebenso, dass auch Museen in kleineren und mittleren Städten in relativ kurzer Zeit erfolgreich Forschungsprojekte durchführen können, wenn sie das Beratungsangebot der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste in Anspruch nehmen”.
(https://www.kulturgutverluste.de/Content/02_Aktuelles/DE/Meldungen/2015/Juli/15-07-14_Museum-Lueneburg.html ) - Die daran anknüpfende systematische Überprüfung der Sammlungsbestände auf weiteres Kulturgut, das nach 1933 NS-verfolgungsbedingt seinen rechtmäßigen Eigentümer entzogen worden sein könnte.
Als ein Ergebnis dieser systematischen Überprüfung wurden im Mai 2017 zwei Leinendamast-Tücher an die Erben des Lüneburger Kaufmanns Hirsch Lengel zurückgegeben. Wie die Heinemann-Erben vor ihnen entschied sich auch Familie Lengel für die großzügige Geste, die Objekte dem Museum anschließend als Leihgabe zur Verfügung zu stellen. - Recherchen zur Frage nach der Mitwirkung kleiner und mittlerer Regionalmuseen bei der Entrechtung und Enteignung jüdischer Familien. Am Beispiel des Lüneburger Museums soll sichtbar werden, wie Museen auch abseits der Aneignung großer und wertvoller Kunstsammlungen in den Prozess der Entwendung von Kulturgut eingebunden waren.
Darüber hinaus war es ein wichtiges Anliegen des Projekts, die Provenienzforschung als Teil der Sammlungs- und Museumsgeschichte des Museums auch öffentlich wahrnehmbar als einen wichtigen Aspekt der Geschichte Lüneburgs in der NS-Zeit darzustellen. Die aus dem Projekt gewonnenen Erkenntnisse werden in Vorträgen und Führungen regelmäßig der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt, erste Ergebnisse sind bereits in die Dauerausstellung eingeflossen. Außerdem wurde der Vortragssaal des Museums im Juli 2015 anlässlich des Besuchs der Heinemann-Nachfahren in „Marcus-Heinemann-Saal” umbenannt.
Den Abschluss des Projekts bildete eine Werkstattausstellung „Noch einmal nach der Herkunft fragen …”
Weiteres hier:
Rückgabe von Museumsobjekten an die Erben des Lüneburger Kaufmanns Hirsch Lengel (2017)
Vortrag Objektprovenienz und Familienforschung (Cloppenburg, März 2016)
Provenienzforschung Zwischenbericht, März 2016(276 KB)
Familientreffen der Heinemann-Nachfahren (2015)
Heinemann Family Reunion (English)
Film: „Almost Lost” – The Heinemann Legacy
Der Marcus-Heinemann-Saal
Kleine Bildergalerie
(Vorschaubilder bitte anklicken!)