Ein kleiner Rest vom Großen Moor
Museum – drinnen & draußen, Teil 8
Das heute vorgestellte Objekt ist wie kein zweites für die Museumsreihe drinnen & draußen geeignet: das Moorprofil aus dem Melbecker Moor, einst das „Große Moor“. Zum einen ist das Bodenprofil direkt der Landschaft entnommen und als Objekt ins Museum gebracht worden. Zum anderen steht es für die Auswirkungen einer energiehungrigen Stadt auf das ländliche Umland.
Moore entstehen über viele tausend Jahre unter wasserreichen Bedingungen. Das macht sie für die Forschung interessant, da man an ihnen sowohl die Klima- als auch die Landschaftsentwicklung dieser Zeit ablesen kann.
Am Anfang des Melbecker Moores steht ein See, der in der letzten Kältephase unserer letzten Kaltzeit vor etwa 12.000 Jahren die Landschaft prägt. Über seine Entstehung ist bereits 1950 in der Landeszeitung spekuliert worden. Als Ursache für die Bodensenke kommen die Gletscher der Kaltzeit, ein alter Flusslauf oder sogar ein Erdfall in Frage. Im Moorprofil ist der See deutlich an schwarz-grauen Feinsanden zu erkennen. Der See verlandet in den folgenden gut tausend Jahren und geht in einen Bruchwald über, der zunächst von der Zwergbirke und später auch von der Kiefer beherrscht wird. Nun lassen sich auch schon die ersten Torfmoose nachweisen, ein Hinweis darauf, dass vor etwa 10.000 Jahren das Hochmoor-Wachstum beginnt. Interessanterweise setzt sich diese Entwicklung – anders als bei vielen anderen niedersächsischen Mooren – im Melbecker Moor nicht fort. Stattdessen kommt es zu einer Wiedervernässung des Gebietes und einer zweiten Seebildung. Warum in dieser Zeit ein zweiter See entsteht, ist ungeklärt. Wegen dieser ungewöhnlichen Entwicklung ist ein lokaler Grund wie eine Veränderung im Abflusssystem zum Melbecker Bach und zur Ilmenau wahrscheinlich. Erst rund zweieinhalbtausend Jahre später verlandet auch dieser See wieder und geht ein weiteres Mal in einen Birken-Kiefern-Bruchwald über. Er wird vor etwa 5000 Jahren von einem dichten Zwergbirkengesträuch abgelöst, danach folgt noch einmal ein Kiefern-Birken-Moorwald. Erst etwa 600 v. Chr. beginnt für das Melbecker Moor die zweite Hochmoorphase mit aufwachsenden Torfmoosen. Schwarz- und Weißtorf bilden zusammen eine etwa 55 cm mächtige Schicht aus. Die heutige Vegetation schließt das Profil oben ab.
Zwei Dinge machen die Geschichte des Melbecker Moores gegenüber anderen Mooren in Niedersachsen besonders: zum einen die beschriebene zweite Seeentwicklung und zum anderen das massenhafte Auftreten der Zwergbirke auch in jüngeren Moorschichten – im norddeutschen Flachland eine echte Seltenheit.
Wie alle Landschaften unterlag auch das Melbecker Moor der menschlichen Nutzung. Lange Zeit ließ man das größte Moor der Umgebung in Ruhe, da es im Süden von Lüneburg eine Reihe weiterer, kleinerer Moore gab, die zunächst abgebaut und deren Torf zum Heizen verwendet wurde. Erst mit der Salinenreform um 1800, bei der aus vielfältigen Gründen die Feuerung von Holz auf Torf umgestellt wurde, fiel auch das Große Melbecker Moor dem Torfhunger zum Opfer. Eigens zum Transport der enormen Torfmengen nach Lüneburg wurde ein Torfkanal vom Melbecker Moor zur Ilmenau ausgehoben. Nach 1860 benötigte die Saline keinen Torf mehr, man hatte auf Steinkohle umgestellt. Der Torfabbau der Melbecker ging dennoch zum Verkauf bis zum 1. Weltkrieg und zum Eigenbedarf sogar bis nach dem 2. Weltkrieg weiter. Die letzten größeren Moorflächen wurden Anfang der 1950er Jahre entwässert, kultiviert und in Grünland umgewandelt. Lediglich drei kleine Torfhorste mit Ausmaßen von ca. 15 x 15 Metern blieben als Erinnerung an das einstige 1100 x 800 Meter große und drei bis vier Meter hohe Moor stehen.
Aus einem dieser Reste wurde unser Moorblock 1989 im Auftrag des damaligen Naturmuseums entnommen und präpariert. Beim Umzug in das Museum Lüneburg ist der Monolith stark beschädigt und aufwändig restauriert worden. So beeindruckt das über zwei Meter große Moorprofil weiterhin auf vielfältige Art und Weise: als einmaliges Zeugnis einer Landschaft, die fast verschwunden ist, als Berichterstatter für die Landschaftsgeschichte unserer Region und als Objekt mit einer eigenen Geschichte.
(Christina Broesike)
Christina Broesike ist Kuratorin für die Naturkunde.
Serie „Museum – drinnen und draußen”, Teil 9
Zurück zum Überblick