Urnen vom Lüneburger Zeltberg
Museum – drinnen & draußen, Teil 2
Bereits in grauer Vorzeit war der Lüneburger Zeltberg Standort einer ganzen Reihe von Bestattungsplätzen, welche die im heutigen Stadtgebiet ansässigen Menschen dort angelegt hatten. Einer der ältesten Funde ist ein Beil aus dem Beginn der Bronzezeit vor ungefähr 4000 Jahren. Es ist heute in der Dauerausstellung des Museum Lüneburg zu bestaunen. Auch die Frage, wie dieser markante Lüneburger Fundplatz zu dem doch recht eigenwilligen Namen „Zeltberg“ kam, hat die Fantasie hiesiger Lokalhistoriker ebenfalls seit Jahrhunderten beschäftigt. Die Spekulationen reichen dabei von einer altertümlichen Bezeichnung für Ackerland bis hin zu historischen Persönlichkeiten, die sich dort ein Stelldichein gegeben haben sollen.
Bei Christian Schlöpke, dem Verfasser der bereits 1704 erschienenen Bardowicker Chronik, finden sich dazu folgende Vermutungen: Im 12. Jahrhundert, unmittelbar vor der teilweisen Zerstörung Bardowicks „…wandte sich der Kayser (Friedrich Barbarossa, D.G.) … durch Bardewick gen Lüneburg/ allwo er an der West-Seite/ etwan in der Gegend zwischen dem Bardewicker und neuem Thor/ campirete. Und hat vielleicht von diesem Lager und Gezelten/ die Kaysers Friderici Armee damahls allhier auffgeschlagen/ der Berg zwischen Bardewick und Lüneburg den Namen Teltberg/ wie er noch heutiges Tages genannt wird/ bekommen.“
Der Lüneburger Chronist Volger legte den Fokus auf die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Stadt und Landesherzögen am Ende des 14. Jahrhunderts. Er schrieb um 1860: „Für Lüneburg hat der Berg in so fern geschichtlich Anziehendes, als auf ihm … während des damaligen blutigen Streites mit dem Landesherrn ein Gefecht statt fand, in welchem der Lüneburger Bürger Gödke Basedow fiel. Seinen Tod überlieferte der Nachwelt eine stehende Steinplatte, welche des Gefallenen knieendes Bild mit einer Inschrift trug. Leider ist seit etwa fünfzig Jahren das Denkmal spurlos verschwunden.“
Zugleich war der Zeltberg – neben dem Areal des heute noch so genannten Galgenberges – aber auch seit Jahrtausenden einer der wichtigsten Bestattungsplätze für die vor- und frühgeschichtlichen Bewohner jenes Gebietes, auf dem später die Stadt Lüneburg erstehen sollte. Dies mag einer der Gründe für die Aufmerksamkeit sein, die diesem Teil Lüneburgs spätestens seit dem 18. Jahrhundert durch die frühen Lüneburger Altertumsforscher und Sammler zuteil wurde. So prahlte einer von ihnen, Rudolf August Rüdemann, damit, dass er – neben dem Zeltberg und dem Kalkberg - eigenen Angaben zufolge keinen Bestattungsplatz im Umkreis von vier Meilen um die Stadt Lüneburg herum unberührt gelassen habe.
Kleine Grabhügel, unter denen sich Urnen des germanischen Stammes der Langobarden befanden, trafen Rüdemann und – über einhundert Jahre später – Michael Martin Lienau vom Lüneburger Museum bei ihren Ausgrabungen auch auf dem Zeltberg an.
Von beiden Grabungen hat sich leider nur sehr wenig erhalten; wobei die Funde der letztgenannten Grabungskampagne am Auslagerungsort der Lüneburger Museumssammlung am Ende des zweiten Weltkrieges zerstört wurden. Die Urnen aus der Rüdemann-Sammlung wurden von ihrem Besitzer schon während der französischen Besetzung der Stadt Lüneburg am Beginn des 19. Jahrhunderts aus wirtschaftlicher Not verkauft und landeten schließlich in der Universität Breslau, wo sie ebenfalls zum größten Teil den Wirren des Zweiten Weltkrieges zum Opfer fielen. Der auf dem Zeltberg verbliebene Rest der einst so zahlreichen kleinen Grabhügel fiel schließlich dem Garten- und Siedlungsbau zum Opfer.
Als die kleinen Grabhügel auf dieser beherrschenden Anhöhe, die die beiden in späteren Zeiten so bedeutenden Siedlungsplätze Bardowick und Lüneburg voneinander trennte, noch in voller Pracht zu sehen waren, mag besagter Anblick durchaus an eine Ansammlung zahlreicher Zelte erinnert haben. Ob sie allerdings dann auch tatsächlich für den Namen "Zeltberg" Pate standen, ist reine Spekulation.
(Dietmar Gehrke)
Dietmar Gehrke ist Kurator für ur- und frühgeschichtliche Archäologie und Kreisarchäologe.
Serie „Museum – drinnen & draußen”, Teil 3
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