Souvenirs aus Jerusalem
Pilger-Exponate, Teil 5
Nicht anders als heute nahm man auch in früheren Jahrhunderten gerne Andenken größerer Reisen mit nach Hause. Souvenirs von Fahrten ins Heilige Land und nach Jerusalem gehörten schon in der Renaissance zum Bestand vieler fürstlicher Kunst- und Wunderkammern. In den bürgerlichen Raritätenkabinetten des 17. und 18. Jahrhunderts waren solche Gegenstände ebenfalls zu finden – auch in protestantischen Territorien. Dies lässt sich exemplarisch an zwei Lüneburger Beispielen zeigen.
Das bedeutendste Kabinett dieser Art war in Lüneburg um 1700 das Museum des Bürgermeisters Tobias Reimers an der Neuen Sülze. Neben einer echten ägyptischen Mumie besaß er große Mengen an Vögeln, Schnecken, Mineralien und Fossilien, schwärmte aber in besonderer Weise für Kuriositäten, die sich mit fabelhaften Geschichten verbinden ließen. Er zeigte seinen Besuchern unter anderem Knochenreste biblischer Riesen, einige mit der „Sündflut“ in Zusammenhang gebrachte Fossilien, versteinerte Erbsen und Melonen aus Bethlehem und Karmel sowie „ein Bisgen von der Erde, daraus Adam soll geschaffen seyn“.
Ein Reisender, der diese Sammlung in Lüneburg sah, war 1710 der Frankfurter Gelehrte Zacharias Konrad Uffenbach. Bei allem Respekt, den er dem Sammeleifer des Lüneburger Bürgermeisters zollte, stand er doch gerade den wundersamen religiösen Repräsentationsstücken skeptisch gegenüber. „Es waren“, so erzählt er in seinen Reisebeschreibungen, „meist lauter Dinge, so die Pfaffen denen ins gelobte Land Reisenden aufhängen“.
Tatsächlich begleiteten und organisierten die Mönche des Franziskanerordens den Aufenthalt vieler Reisender im Heiligen Land. Und sie versorgten diese dabei mit mancherlei Anekdoten und dazu passenden Andenken. Neben Kuriositäten wie den oben erwähnten kamen ab etwa 1600 als hochwertige Souvenirs detaillierte Architekturmodelle der heiligen Stätten hinzu. Mehr als 60 solcher kunsthandwerklich aufwändig gestalteten Stücke sind heute noch erhalten. Man vermutet, dass sie in den Werkstätten der Franziskaner in Bethlehem und Jerusalem gefertigt wurden. Man verarbeitete verschiedene Edelhölzer wie Olive, Zwetschge, Birne und Palisander, auch Knochen und Elfenbein. Für die eingelegten Ornamente verwendete man Perlmutt und Metall. Die Modelle wurden in verschiedenen Größen und Preislagen angeboten.
Am häufigsten erhalten sind Modelle der Jerusalemer Grabeskirche und der Heilig-Grab-Kapelle, gefolgt von der Geburtskirche und der Geburtsgrotte in Bethlehem. Seltener sind die kleineren und unauffälligeren Modelle anzutreffen, wie das Wohnhaus Marias in Nazareth und das Haus des Lazarus in Bethanien.
In Lüneburg konnte man 1710 eine große Zusammenstellung solcher Modelle beim Salzcomtoir-Schreiber Schröder in Augenschein nehmen. Dieser hatte sie von seinem Bruder erhalten (einem Hamburger Kapitän, der mehrmals das Heilige Land bereits hatte) und zu einer kleinen Wunderkammer arrangiert. Markant war die lebensgroße Figurine des Bruders in Gips, über die ein türkisch-orientalisches Gewand drapiert war, dass dieser auf seiner Reise getragen hatte. Daneben befanden sich in einem kleinen schwarzen Kabinettschrank hinter Glas mindestens fünf einzelne Modelle der heiligen Stätten. Uffenbach war ganz begeistert davon, dass man alles auseinandernehmen und selbst die kleinsten Türen aus Elfenbein noch öffnen konnte.
Leider haben sich die Sammlungen von Reimers, Schröder und anderen nicht bis in die heutige Zeit erhalten. Festzuhalten bleibt jedoch, dass man sich auch im protestantischen Lüneburg bemühte, christliche Religionsgeschichte mittels begreifbarer Gegenstände aus dem Heiligen Land nachzuvollziehen.
(Ulfert Tschirner)
Serie „Pilger-Exponate”, Teil 6
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