Gedenkwoche für die Opfer des Nationalsozialismus

Der 27. Januar ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des National­sozialismus. 1945 wurde an diesem Tag das Konzen­trations­lager Auschwitz befreit.

In Lüneburg findet anlässlich des Gedenktages vom 21. bis 28. Januar eine Veran­staltungs­woche statt, die sich dem Thema mit Führungen, Vorträgen, Ausstellungen, Gesprächen und einem Film widmet. Im Museum Lüneburg, als einem der zentralen Veran­staltungs­orte, ist während der Woche die Wander­ausstellung des Volksbunds Deutsche Kriegs­gräber­fürsorge e.V. „Bikernieki – Wald der Toten” zu sehen, die sich mit der Deportation deutscher Juden 1941 und 42 nach Riga, ihrer Ermordung und dem Gedenken daran befasst. Außerdem erinnert das Museum an die Lüneburger Juden, die nach Riga deportiert wurden.

In der Sonder­ausstellung „Noch einmal nach der Herkunft fragen …” – Provenienz­forschung am Museum Lüneburg werden die Ergebnisse des vierjährigen Forschungs­projektes von Anneke de Rudder vorgestellt.

Weitere Veranstal­tungen der Gedenkwoche finden in der VHS Lüneburg, dem Gewerk­schafts­haus und dem Scala Programmkino statt.

LZ-Artikel, 17.01.18, S. 6 Erinnern an die Opfer des National­sozialismus – Im Vorfeld und am Gedenktag selbst gibt es ...(121 KB)

Veran­staltungs­woche zum Tag des Gedenkens an die Opfer des National­sozialismus vom 21.01. bis 28.01.2018

Riga-Bikernieki – Wald der Toten

Die Deportation deutscher Juden nach Riga, ihre Ermordung und das Gedenken daran

21. – 28. Januar 2018

Wanderaus­stellung des Volks­bunds Deutsche Kriegsgräber­fürsorge e.V. und des Deutschen Riga-Komitees

Ausführliche Informationen zur Riga-Bikernieki-Ausstellung finden Sie auf der Webseite des des Volks­bunds Deutsche Kriegsgräber­fürsorge e.V.

Ort: Treppenhaus Süd,   Eintritt frei

Lüneburger Juden, die nach Riga deportiert wurden

Im Zusammenhang mit der Ausstellung „Riga-Bikernieki” erinnert das Museum Lüneburg an die Juden aus Lüneburg, die nach Riga deportiert wurden, entweder direkt aus Lüneburg oder von anderen Orten aus. Ein Teil von ihnen starb in Riga, sei es durch gezielte Mordaktionen oder durch die katastrophalen Bedingungen im Ghetto.

Sally und Lucie Baden (Bild 1)

Der aus Danzig stammende Sally Baden und seine Frau Lucie lebten mit ihrer Familie in der Bardo­wicker Str. 12. Dort führten sie ein großes und allseits beliebtes Schuhhaus, das sie 1938 unter Zwang weit unter Wert an einen „arischen” Schuhhändler verkaufen mussten. Ihre Kinder Ruth, Arnold und Lisa konnten noch rechtzeitig aus Deutschland fliehen und versuchten von Palästina und Australien aus, die Eltern nachzuholen. Im Zuge des November­pogroms 1938 wurde Sally Baden aus Lüneburg ins KZ Sachsen­hausen verschleppt. Man entließ ihn erst im Frühjahr 1939, als seine Frau es geschafft hatte, gegen alle Widerstände Auswande­rungspapiere und Schiffskarten nach Australien zu beschaffen. Der Kriegsbeginn 1939 machte all diese Pläne zunichte. Sally und Lucie Baden saßen in Lüneburg fest und mussten in immer kleinere Wohnungen ziehen. Gemeinsam wurden sie Anfang Dezember 1941 von Lüneburg nach Hamburg gebracht und in einem Massen­transport nach Riga-Jungfernhof deportiert. Herr Baden kam im Ghetto Riga ums Leben, seine Frau wurde am 17. Februar 1942 weiter nach Minsk verschleppt und kam dort um.

Sonia Lengel und Taube Hesse (Bild 2)

Die in Lüneburg aufge­wachsenen Schwestern Sonia Lengel und Taube Hesse geb. Lengel versuchten seit 1933, in größeren Städten Fuß zu fassen, kehrten jedoch schließlich in ihr Elternhaus zurück. In der Salzbrücker Straße 64 führten ihre Eltern bis zur erzwungenen Schließung 1937 einen Produkten- und Fellhandel. 1942 wurden sie nach Theresien­stadt deportiert und wenig später in Treblinka ermordet. Drei Geschwister konnten durch Emigration in die USA ihr Leben retten. Zwei weitere Schwestern flohen nach Südfrankreich, wurden dort aber noch im Sommer 1944 verhaftet und kamen in deutschen KZs ums Leben. Sonia Lengel und Taube Hesse gehörten wie die Badens zu den Lüneburger Juden, die dem Transport von Hamburg nach Riga am 6.12.1941 angeschlossen wurden. Sie überlebten den Horror des Ghettos und des KZ Riga-Kaiserwald, aber nicht mehr das nächste Lager: im August 1944 wurden sie ins KZ Stutthof deportiert und starben dort vermutlich in den letzten Kriegswochen.

Minna Gottschalk geb. Behr (kein Bild)

Minna Gottschalk, eine Tochter der Schuhhändler-Familie Behr (Bild 1), wurde 1885 in Lüneburg geboren und lebte ab etwa 1910 in Hamburg. Sie war drei Mal verheiratet und blieb drei Mal als Witwe zurück. Ihr Sohn Heinz Arndt floh zunächst in die Tschechos­lowakei und konnte im Dezember 1938 nach Uruguay auswandern. Minna Gottschalk selbst musste ihr Haus in Hamburg aufgeben und wurde am 6. Dezember aus von Hamburg nach Riga deportiert. Dort kam sie ums Leben.

In Hamburg-Eimsbüttel liegt ein Stolperstein für Minna Gottschalk.

Thekla Marcus (kein Bild)

Thekla Marcus gehörte zur jüdischen Großfamilie Marcus in Lüneburg, die vor allem im Schuh- und Textil­handel tätig war. Sie wurde 1887 als fünftes Kind von Samuel und Rosa Marcus geboren und lebte gemeinsam mit ihrer Mutter am Schifferwall 3. Als Rosa Marcus 1937 starb, wohnte Thekla dort zunächst weiter, musste 1941 nach Hamburg ziehen und wurde wie das Ehepaar Baden, die Lengel-Schwestern und Minna Gottschalk am 6.12.1942 von Hamburg nach Riga deportiert. Auch sie hat das Ghetto nicht überlebt. Zwei ihrer Brüder wurden Opfer der NS-Judenver­folgung, zwei weitere Geschwister überlebten in Deutschland und in Argentinien.

Ida Jaffé (Bild 3)

Ida Jaffé wurde 1871 in Lüneburg als zwölftes Kind von Marcus und Henriette Heinemann geboren und wuchs in der Großen Bäckerstraße 23 auf. Als 17-Jährige heiratete sie Joshua Jaffé aus Schwerin, der in Hannover im Textilhandel tätig war. Als er 1931 starb, zog Ida um nach Hannover-List. Nach 1933 kümmerte sie sich von dort aus um die Kinder von Familienan­gehörigen, die ihre Emigration nach Palästina vorbereiteten. Seit Anfang April 1940 wohnte sie in einem jüdischen Altersheim in Hannover. Im September 1941 wurde das Heim zu einem Massen­quartier für Juden aus Hannover, die ihre eigenen Wohnungen räumen mussten. Zusammen mit mehr als tausend anderen Juden wurde Ida Jaffé am 15.12.1941 von Hannover ins Ghetto Riga deportiert, wo sie kurze Zeit später starb.

Begleitprogramm

So., 21.01.18, 11:30 Uhr  |  Ausstellungs­eröffnung

Riga-Bikernieki – Wald der Toten

Die Deportation deutscher Juden nach Riga, ihre Ermordung und das Gedenken daran

Wanderaus­stellung des Volksbunds Deutsche Kriegsgräber­fürsorge e.V.

Einführung: Jan Effinger

Musikalische Begleitung: Christiane Frey (Querflöte und Flügel) und Stefan Metzger-Frey (Flügel)
mit Werken von Peter Warlock, Lily Boulanger, Herbert Murrill und Georg Friedrich Händel

Ort: Marcus-Heinemann-Saal,   Eintritt frei

So., 21.01.18 | 14:30 Uhr | Sonntagsgeschichte

Jüdische Familien und das Museum

Anneke de Rudder

Die Holocaust-Gedenk­woche ist der Anlass, die Bedeutung von jüdischen Familien aus Lüneburg für das Museum genauer in den Blick zu nehmen. Dabei geht es sowohl um die Geschichte des Museums­vereins, der von Lüne­burger Juden mitge­gründet wurde, als auch um heutige Kontakte zu Nach­fahren jüdischer Familien auf der ganzen Welt.

Weitere Informationen zur Veranstaltung

Treffpunkt: Foyer Neubau,   die Führung ist im Museumseintritt inbegriffen.

Di., 23.01.18, 19:30 Uhr  |  Lesung & Gespräch

„Das Unaussprechliche in Worte fassen”

Auschwitz – vom schwierigen Erinnern heute

Henning Niederhoff, Berlin

Lesung & Gespräch mit dem Autor, Gesellschaft für Christliche-Jüdische Zusammen­arbeit Lüneburg e.V.

Treffpunkt: Marcus-Heinemann-Saal,   Eintritt frei

Mi., 24.01.18, 19 Uhr | Vortrag

Die Kultur der Erinnerung – Eckpfeiler bundes­deutscher Identität

Prof. Rolf Wernstedt

Veranstalter: Volksbund Deutsche Kriegsgräber­fürsorge e.V.

Ort: Foyer Neubau,   Eintritt frei

Do., 25.01.18 | 18:30 Uhr | Ausstellungs­eröffnung

„Noch einmal nach der Herkunft fragen …”

Provenienz­forschung am Museum Lüneburg

Die Werkstatt­ausstellung erzählt die Geschichte hinter einigen Objekten des Museums. Sie beschäftigt sich dabei auch mit ihren ursprüng­lichen Eigentümern: Jüdischen Familien aus Lüneburg, deren Mitglieder in der Zeit des National­sozialismus entrechtet, beraubt, in die Flucht getrieben oder ermordet wurden.

Ort: Marcus-Heinemann-Saal,   Eintritt frei

Weitere Informationen zur Ausstellung

Fr., 26.01.18, 19 Uhr | Vortrag

Verbindungslinien zwischen Holocaust­verbrechen und ‚Euthanasie’-Morden

Dr. Carola S. Rudnick

Veranstalter: „Euthanasie”-Gedenkstätte Lüneburg e.V.

Im Auftrag der Bundes­zentrale für politische Bildung reiste die Vortragende nach Polen, nach Weißruss­land und in die Ukraine, um einerseits Zusammen­hänge zwischen dem Mord an Psychiatrie­patienten und dem Genozid an den europäischen Juden zu erforschen und um andererseits diese Verbindungs­linien auch für die Bildungs­arbeit fruchtbar zu machen. Bilder- und faktenreich stellt sie ihre Ergebnisse erstmals der Öffent­lichkeit vor und entfaltet dabei eine neue Perspektive auf die rassen­hygienische Verfolgung und Täterschaft sowie deren Vermittlung.

Ort: Marcus-Heinemann-Saal,   Eintritt frei

So., 28.01.18 | 14:30 Uhr | Sonntagsgeschichte

„Noch einmal nach der Herkunft fragen …”

Provenienz­forschung am Museum Lüneburg

Anneke de Rudder

Führung durch die Sonderausstellung

Treffpunkt: Foyer Neubau,   die Führung ist im Museumseintritt inbegriffen.

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