Ein opulentes Hochzeitsgeschenk als Zeichen der Verbundenheit
Was mögen Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg und der hannoversche Kronprinz Georg im Februar 1843 gedacht haben, als sie unter ihren zahlreichen Hochzeitsgeschenken auch einen Tafelaufsatz aus Silber von gut einem Meter Höhe und einer Standfläche von mehr als einem halben Meter im Quadrat in Empfang nehmen durften? Nun, ein Problem, mit dem sich manche frisch vermählten Paare heutzutage zuweilen konfrontiert sehen, dürften sie nicht gehabt haben, nämlich die Frage: „Wozu und wohin damit?“
In den Schlössern und Burgen des Adels zierten Tafelaufsätze die festlich gedeckten großen Tafeln bei den Banketten. Es waren repräsentative Gegenstände mit einem Bildprogramm, in dem sich Beschenkte wie Schenkende wiederfanden. In der Residenzstadt Hannover hatte sich der Juwelier und „Hof-Gold- und Silberarbeiter“ Georg Julius Friedrich Knauer auf die Anfertigung von repräsentativen Schmuckwerken für den Hof spezialisiert. Im Jahr 1843 bekam er gleich zwei Großaufträge anlässlich der Hochzeit des späteren Königs Georg V., denn neben der Lüneburgischen Ritterschaft hatte sich auch die Ostfriesische Landschaft als Ständevertretung dazu entschlossen, dem jungen Paar einen silbernen Tafelaufsatz als Hochzeitsgeschenk zu überreichen. Während der Tafelaufsatz aus Ostfriesland sich heute noch in welfischem Besitz auf Schloss Marienburg befindet, konnte der Tafelaufsatz aus dem Fürstentum Lüneburg 1980 aus dem englischen Kunsthandel für die Sammlung des Fürstentummuseums erworben werden – ein Beispiel dafür, dass das Welfensilber auch als finanzielle Ressource diente.
Aus einem mehrteiligen, von Löwen und einem Einhorn getragenen Sockel erhebt sich ein Baumstamm, der statt einer Laubkrone eine durchbrochene Schale trägt, in die Früchte oder Blüten eingelegt werden konnten. Jeweils mit dem Rücken zum Baumstamm stehen vier männliche Gestalten, die anhand der Gegenstände, die sie mit sich tragen, als Bauer, Schäfer, Imker und Fischer zu identifizieren sind – die Haupterwerbszweige der des Lüneburger Landes um die Mitte des 19. Jahrhunderts.
Mit dem kostbaren Geschenk wollte die Lüneburgische Ritterschaft ihre Verbundenheit mit dem Könighaus zum Ausdruck bringen Sie durfte unter den Gratulanten nicht fehlen, bildete sie doch zu der Zeit noch eine wichtige Korporation im Verfassungsgefüge des Königreichs Hannover. Mit Wappenschildern aus bemaltem Porzellan sind alle 52 Adelsfamilien der Ritterschaft am unteren Rand des Sockels vertreten, darunter Namen, die bis heute bekannt sind wie die von Estorff oder von Meding. Auch wenn die Ritterschaft im Zuge des Konstitutionalismus ihre politische Bedeutung verlor, blieb sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts bis heute bestehen – als kulturfördernde Institution, aber auch als Trägerin der Landschaftlichen Brandkasse und seit 1957 zusammen mit der Provinzial-Lebensversicherung die Versicherungsgruppe Hannover VGH.
(Heike Düselder)
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