Schwarze Kunst in Lüneburg

Große Sonderausstellung zu 400 Jahren Stern‘sche Druckerei


Entdecken Sie noch bis zum 30. März 2025 die große Sonderausstellung „Bilder! Das Salz der Bibeln“ im Museum Lüneburg.

Infos zur Ausstellung hier www.salz-der-bibeln.de

Eine denkwürdige Begegnung

In dem kleinen Buchladen Am Sande in unmittelbarer Nähe des Johanniskirchhofs fand im Frühjahr des Jahres 1605 eine folgenreiche Begegnung statt. Der Welfenherzog August der Jüngere legte auf dem Rückweg von seiner Reise durch die Niederlande, England und Frankreich ins Amt Dannenberg einen Zwischenstopp in Lüneburg ein und lernte den Buchbinder und -händler Hans Stern kennen.

Wohl kaum ein Reisender wird in dieser Zeit die stolze Hansestadt mit ihren prächtigen Kirchen und Patrizierhäusern links liegen gelassen haben, war doch bekannt, dass das „weiße Gold“ Lüneburg schon im Mittelalter reich und berühmt gemacht hatte. Doch dass Herzog August ausgerechnet dem kleinen Laden des Buchbinders und -händlers Hans Stern einen Besuch abstattete, war kein Zufall. August war ein gelehrter Bücherfreund und -sammler. In Hans Stern fand Herzog August einen Geschäftspartner, der so ganz in seinem Sinne war: belesen, sein Handwerk aufs Beste beherrschend, mit Sinn für gute Geschäfte und noch dazu gut lutherisch. Mit dieser Begegnung begann eine Beziehung, die über Jahrzehnte und über mehrere Generationen der „Sterne“ hinweg von Bedeutung blieb und ihnen Schutz und Schirm, aber auch Neid und Missgunst bescheren und schließlich der Stadtgeschichte eine bedeutende Zäsur bringen sollte.

Ein echter „Schatz“ in Lüneburg

Doch nicht die Beziehungen der „Sterne“ zum Herzog stehen im Mittelpunkt der großen Ausstellung, die am 29. September im Museum Lüneburg eröffnet wird, sondern ihr wichtigstes Produkt, die Bibeln. Mit den illustrierten Bibeln in vielerlei Formaten und bester Druckqualität wurden „die Sterne“ in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges in ganz Nordeuropa bekannt und berühmt. Drei Gründe gaben den Ausschlag für die umfangreiche Sonderausstellung, die anschließend in die Dauerausstellung integriert. Erstens ist es weltweit einzigartig, dass eine Druckerei über vierhundert Jahre lang ununterbrochen im Besitz einer Familie blieb. Zweitens verfügt das Museum über einen einzigartigen Fundus an Exponaten aus den „Offizin“ der Sterne, nämlich fast 200 original erhaltene Druckstöcke aus dem frühen 17. Jahrhundert, jeder etwa in der Größe einer Zigarettenschachtel, mit denen die Sterne ihre Bibeln illustrierten und sich damit von der vielfach vorhandenen Konkurrenz absetzten. Hinzu kommen die meisterhaften Vorzeichnungen für die Kupferstiche, die ebenfalls zur Illustration der biblischen Geschichten genutzt wurden. Drittens ist es die bemerkenswerte Erfolgsgeschichte der „Schwarzen Kunst“ in Lüneburg nach dem „Weißen Gold“, dem Salz.

Mit der Einrichtung der Stern‘schen Druckerei 1623/24 starteten die die „Newcomer“ in Lüneburg ihr Unternehmen und schafften es, mit der Hilfe und unter dem Schutz von Herzog August, eine Druckerei aufzubauen, die unglaublich erfolgreich war. Lüneburger Bibeln waren weit verbreitet und wurden beliebte Sammelobjekte. Heute sind in Lüneburg, überwiegend in den Beständen der Ratsbücherei, noch weit mehr als 200 Bibeln aus dem 17. und 18. Jahrhundert erhalten, die die Vielfalt, die Qualität und damit das Können der Sterne dokumentieren.

Weißes Gold und Schwarze Kunst – die Lüneburger Exportschlager

Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts wurden die Stern‘schen Bibeln nach dem Salz der zweite „Exportschlager“ für Lüneburg. Das Unternehmen entwickelte sich zu einer der bedeutendsten Großdruckereien Nordeuropas mit Geschäftskontakten unter anderem nach Amsterdam, Kopenhagen, Stockholm, Danzig, Königsberg, Reval und Breslau. Bis zum letzten Lüneburger Bibeldruck im Jahr 1824 erschienen mehr als 150 unterschiedliche Bibelausgaben, alles in allem mehr als 500.000 einzelne Exemplare. War vormals das Lüneburger Salz in Fässern in den gesamten Hanseraum gehandelt worden, so wurden nun die Bibeln aus den Stern’schen Offizin – ebenfalls in Fässern transportiert – ein Handelsobjekt, das die Stadt Lüneburg in ganz Deutschland und Nordeuropa bekannt machte.

Die Bibel – ein Weltbestseller

Warum gerade Bibeln? Bis heute ist die Bibel das meistverbreitete Buch. Eigentlich ist es kein Buch, sondern eine Bibliothek - ein unendliches Kompendium von Geschichten, Gleichnissen und Geboten, aber auch Gebeten, Briefen und Liebesliedern. Heute sind Bibelausgaben mit Illustrationen die Ausnahme. In einer Zeit, als viele Menschen noch nicht lesen konnten, waren die Bilder in den Bibeln schon aus didaktischen Gründen wichtig und nachgefragt. Für die Stern’sche Druckerei waren sie auch ein Marketinginstrument, mit dem sie sich von der Konkurrenz abheben konnte. Die herausragende Qualität der Lettern, des Satzes und der Bilder machten den Lüneburger Bibeldruck so einzigartig, dass die „Sterne“ 1645 in den Adelsstand erhoben wurden, weil sie wegen der „schönen saubern und reinen Schrifft im gantzen Römischen Reich bekhandt und berühmt“ seien.

Klischees und barockes Theater

Titelkupfer einer Bibel

Herausragend waren in den Stern’schen Bibeln die Illustrationen in Form von Holzschnitten und später Kupferstichen. Die im Original erhaltenen Druckstöcke weisen eine Besonderheit auf: Sie haben so gut wie keinen Abrieb, sondern sehen aus wie neu, obwohl ihre Motive über Jahrzehnte immer wieder in den Bibeldrucken verwendet wurden. Die kluge Geschäftsidee der Sterne bestand darin, gar nicht mit den Originalen zu arbeiten, sondern mit druckfähigen Klischees aus Gießblei. Dadurch konnten die Originale die Zeit überdauern und sind heute als einzigartiger Bestand im Fundus des Museums.

Für die Kupferstiche erhielten berühmte Kupferstecher in Augsburg, Nürnberg und Amsterdam von Lüneburg aus den Auftrag, nach den Vorlagen des Hamburger Malers Matthias Scheits die Kupferstiche zu fertigen. Es waren kraftvolle und dramatische Bilder, die dem barocken Theaterbühnen ähneln und die Betrachter in den Bann zogen – das „Kopfkino“ der Frühen Neuzeit.

Prof. Dr. Heike Düselder, Direktorin Museum Lüneburg

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