Der Geschmack von Sole – Trinkrituale der Lüneburger Sodmeister

Willkomm der Lüneburger Sodmeister, 17. Jahrhundert

Als „Willkomm“ bezeichnete man in der Frühen Neuzeit repräsentative Trinkgefäße, die bei festlichen Anlässen oder im Rahmen von Ritualen zu einem Begrüßungsschluck gereicht wurden. Der fast einen Meter hohe, kunstvoll aus verschiedenen Hölzern gedrechselte Pokal soll einmal als Willkomm für die Lüneburger Sodmeister gedient haben. Der Sodmeister war bis um 1800 der wichtigste Amtsträger der Saline. Er führte die Aufsicht über die Quellen und die Verteilung der Sole, die aus einem zentralen Brunnen (dem Sod) auf dem Areal der Saline geschöpft wurde. Mit dem Amt wurden zumeist erfahrene Sülfmeister betraut, die sich bereits als Ratsherren und Bürgermeister bewährt hatten.

Der Pokal nimmt in seinem oberen Teil die für dieses Amt so wichtige Symbolik des Brunnens auf. Der Deckel besteht aus zwei von Säulen gegliederten Laternen. In der unteren ist ein Ziehbrunnen mit Eimern nachgebildet, wie sie ähnlich am Sod eingesetzt wurden. Die Wasseroberfläche im Brunnen ist durch ein horizontal eingesetztes Spiegelglas angedeutet.

Womöglich war dieser Holzpokal in ein Zeremoniell eingebunden, das sich regelmäßig im Untergrund Lüneburgs abspielte. Der wichtigste Wettbewerbsvorteil für das Lüneburger Siedesalz war nämlich der besonders hohe Salzgehalt der hier anstehenden Sole. Um den Salzgehalt zu überprüfen, stiegen in früheren Zeiten der Sodmeister und die Bürgermeister der Stadt in das Bergwerk unterhalb der Saline hinab und versammelten sich um einen Tisch, um aus bereitgestellten Bechern die gegenwärtige Qualität der Sole zu erschmecken. Schmeckte die Sole nicht salzig genug, konnte das ein Anzeichen dafür sein, dass Süßwasser eingedrungen war und die Quellen verwässerte.

Durch die Nutzung wissenschaftlicher Messinstrumente wie der Senkspindel (Aräometer) wurde diese geheime Geschmacksprobe im 17. Jahrhundert zugunsten einer verlässlicheren Prüfmethode aufgegeben. Ob bei den Trinkritualen bis dahin der aus dieser Zeit stammende, hölzerne Willkomm zum Einsatz kam, lässt sich heute nicht mehr sicher feststellen. Als er in den 1790er-Jahren in das damalige Museum der Lüneburger Ritterakademie gegeben wurde, war nur noch vom Hörensagen bekannt, dass dies ehedem ein Willkomm der Sodmeister gewesen sein soll.

Getrunken wurde Sole auch in späteren Zeiten noch – dann allerdings vorwiegend aus medizinischen Gründen. Zum Kurbetrieb im Sol- und Moorbad Lüneburg gehörte Anfang des 20. Jahrhunderts neben den Badekuren auch der Ausschank von Sole, wovon die Trink- und Wandelhalle im Lüneburger Kurpark bis heute ein architektonisches Zeugnis ablegt.

Dr. Ulfert Tschirner, Kurator Museum Lüneburg

Zurück zur Übersicht Archäologische Objekte
Zurück zur Übersicht der Sammelgebiete