Barocke Bildsprache
Meisterzeichnungen zur Kupferstichbibel von 1672
Der Erfolg der von Sternschen Buchdruckerei, die im 17. Jahrhundert zu einer europaweit führenden Druckerei aufstieg, gründete sich vor allem auf den Druck von Bibeln und religiösen Schriften. Das 400-jährige Jubiläum dieser Druckerei in Lüneburg nimmt das Museum Lüneburg 2024 zum Anlass einer großen Sonderausstellung. Im Zentrum stehen dabei die Bilder, mit denen die Sterne ihre Bibeln ausstatteten.
Eines der eindrucksvollsten Erzeugnisse der Lüneburger Buchdruckpressen ist die große Kupferstichbibel von 1672. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Sternbibeln gegenüber der Konkurrenz vor allem durch saubere Typografie, wenig Druckfehler und vielfältige Lese- und Verständnishilfen (z.B. Kommentare, Register und Verweise) ausgezeichnet. Als bewährtes Mittel zur Illustration griffen die Druckerverleger immer wieder auf einen Holzschnittzyklus des Hamburger Goldschmieds Jakob Mores zurück, der bereits 1588 erstmals im Druck erschienen war.
Etwa um das Jahr 1665 wagten die Sterne etwas Neues. Mit den Entwürfen für eine große, zeitgemäß illustrierte Kupferstichbibel beauftragten sie den Hamburger Künstler Matthias Scheits. Scheits hatte seine Lehrzeit in den Niederlanden verbracht und war unter anderem von Rubens und Rembrandt beeinflusst. Über einen Zeitraum von etwa drei Jahren lieferte Scheits 150 detailliert ausgearbeitete Stichvorlagen zu biblischen Szenen, die anschließend von einigen der damals bekanntesten Kupferstechern in Augsburg, Nürnberg oder Amsterdam umgesetzt wurden. Die fertige Bibel war ein Meisterwerk der Druckkunst mit besonders großen Kupferstichen, die das biblische Geschehen in die Bildsprache des Barock übersetzten und den Betrachter nicht nur belehren, sondern auch emotional ansprechen wollten.
Die Vorzeichnungen von Matthias Scheits wurden bereits von den Zeitgenossen so geschätzt, dass sich viele davon als Meisterzeichnungen bis heute in Sammlungen erhalten haben. Das Museum Lüneburg hat nach der Hamburger Kunsthalle mit insgesamt 16 Scheits-Zeichnungen den größten Bestand. Neben den detaillierten Stichvorlagen haben Kunsthistoriker in den letzten Jahren vermehrt Entwurfszeichnungen von Scheits identifiziert, in denen der Künstler mit schwungvoll-skizzierenden Federstrichen erste Bildideen formulierte.
Die positive Resonanz der Bilderfindungen zeigt sich auch darin, dass die Stiche bis weit ins 18. Jahrhundert hinein als Vorlagen für die Anfertigung von Gemälden genutzt wurden, z. B. für die Ausgestaltung der Emporen in der Celler Stadtkirche. Eine Zwischenform zwischen Kupferstich und Gemälde sind die mit Deckfarben kolorierten Blätter. Durch die Übermalung werden zwar die feinen Details zurückgedrängt, dafür entsteht eine malerische Gesamtwirkung, mit der sich der Druck auch als Wandschmuck eignet.
Dr. Ulfert Tschirner, Kurator Kulturgeschichte im Museum Lüneburg
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