Und wo ist der König?
Das Welfen-Wimmelbild aus dem Haus Hannover
An einem heißen Sommertag des Jahres 1735 fand vor den Toren Hannovers ein Ereignis statt, das Schaulustige in großer Zahl von nah und fern anlockte. Sie reisten mit Kutschen an, brachten Kinder und Hunde mit, zeigten sich in Sonntagskleidung mit Hüten und Hauben oder gepuderten Perücken und bestaunten gemeinsam die „Revue bei Bemerode“. Die Hoffnung war groß, einen Blick auf den König zu erhaschen oder sogar von diesem mit einem Blick oder einem Wort bedacht zu werden.
„Revue bei Bemerode“ wird im Museum Lüneburg ausgestellt
Die „Revue bei Bemerode“ ist der Titel des monumentalen Gemäldes, das zurzeit im Museum Lüneburg zu sehen ist. Es zeigt eine Militärparade vor dem hannoverschen Kurfürsten Georg August (1683-1760), der zugleich als Georg II. König von England war. Bemerode, heute ein Stadtteil von Hannover, bot damals ausreichend Platz für rund 2.500 Personen und fast ebenso viele Pferde. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden große Militärparaden als Revuen bezeichnet. Der Unterhaltungswert dieser Veranstaltung war zweifellos hoch!
Georg II. war der Enkel von Ernst August von Braunschweig-Calenberg, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg sowie der berühmten Sophie von der Pfalz. Letztere war wiederum eine Tochter der englischen Prinzessin Elisabeth. Sophie von der Pfalz verstarb am 8. Juni 1714. Hätte sie nur sieben Wochen länger gelebt, wäre sie Königin von England geworden, da sie an zweiter Stelle der englischen Thronfolge stand. Stattdessen bestieg ihr Sohn Georg Ludwig als Georg I. 1714 als erster König aus dem Haus Hannover den englischen Thron und das Kurfürstentum Hannover und das britische Königreich blieben in Personalunion verbunden. 1727 folgte Georg II. seinem Vater auf den Thron. Er gab das Großgemälde in Auftrag.
Ein heißer Sommertag im Jahr 1735: Wo ist der König?
Obwohl Georg II. in London residierte, besuchte er Hannover mindestens einmal im Jahr, um seine Verbindung zum Heimatland aufrechtzuerhalten und seine Truppen zu mustern. Waren die Truppen vollzählig, die Männer gesund, die Uniformen in gutem Zustand, die Waffen bereit? Am 25. Juli 1735 traten die kurhannoverschen Truppen vor ihrem König an, unterzogen sich seiner Prüfung, stellten sich aber zugleich auch öffentlich zur Schau. Diesen bedeutungsvollen Tag hielt der hannoversche Hofmaler Johann Franz Lüders auf einem monumentalen Gemälde fest und hat sich mit dem Skizzenblock in der Hand auch selbst verewigt. Vier Jahre lang malte er an dem Gemälde mit den beeindruckenden Maßen von 1,79 x 8,08 Metern.
Das Gemälde zeigt im Hintergrund die aufmarschierten Truppen während sie im unteren Teil vor dem König defilieren. Georg II. ist in der Menge kaum zu finden – lediglich die blaue Schärpe und Kopfbedeckung verraten seine Anwesenheit. Für viele Besucher scheint die Parade Nebensache zu sein. Sie stehen zusammen, plaudern, tanzen, zechen und machen Geschäfte. Was gibt es nicht alles zu entdecken auf diesem Wimmelbild: Flotte Wagen und Händlerinnen aus Tirol, die Staatskarosse des Königs und die königlichen Maultiere mit ihren Prunkschabracken, in denen das königliche Tafelsilber aufs Feld transportiert wird. Nicht zu vergessen: der türkische Kammerdiener Mustapha im reichbetressten roten Mantel, grauen Pluderhosen und weißem Turban.
Das Gemälde ist Eigentum des Erbprinzen Ernst August von Hannover. Auf seinem Wunsch kam es ins Museum Lüneburg. Zuvor hing es im Kutschensaal des Historischen Museums Hannover, das derzeit aufgrund umfangreicher Sanierungsarbeiten geschlossen ist.
Statt für lange Jahre im Magazin verborgen zu bleiben, ist es nun in Lüneburg öffentlich zu sehen.
Prof. Dr. Heike Düselder, Leiterin des Museums Lüneburg
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