Der reisende Zinnsoldat
Der reisende Zinnsoldat. Ein Pilgerzeichen aus dem Bereich des Michaelisklosters
Bei archäologischen Ausgrabungen, die Ende der 1970er Jahre im Bereich des Michaelisklosters durchgeführt wurden, kam auch ein kleines Figürchen aus einer Blei-Zinn-Legierung zutage. Die etwa 5,5 cm hohe Figur befand sich in einer Abfallgrube, die beim Bau des Michaelisklosters im Jahr 1376 bereits vorhanden war und mit einer Mauer überbaut wurde. So ist das als Pilgerzeichen anzusprechende Stück älter als die Klostergebäude und dürfte ins 13./14. Jahrhundert datieren.
Zu erkennen ist ein mit Schwert und Fahnenlanze bewaffneter Ritter in einem eisernen Panzerhemd. Der um den Kopf des Ritters angeordnete Kreis – ein sogenannter Nimbus – weist diesen als Heiligen aus. Es handelt sich bei dem Ritter um die Darstellung des hl. Potentinus, der im Kloster Steinfeld in der Eifel verehrt wurde. Um dessen Leben ranken sich verschiedene Legenden, so wird er zunächst als Adeliger aus Aquitanien angesehen, der mit seinen Söhnen ein gottgefälliges Leben geführt haben soll. In späteren Versionen soll er dann der Sohn eines heidnischen Frankenkönigs gewesen sein, der zum Christentum konvertierte und später Bischof von Paderborn wurde. In dieser Darstellung stirbt Potentinus von heidnischen Pfeilen durchbohrt den Märtyrertod.
Die Gebeine des hl. Potentinus gelangten ins Kloster Steinfeld in der Eifel und wurden auch überregional von gläubigen Christen verehrt. Das in Lüneburg gefundene Pilgerzeichen ist hierbei Teil einer weit verbreiteten Praxis. So bestand an den verschiedensten Wallfahrtsorten der Christenheit regelhaft die Möglichkeit als Zeichen des erfolgreichen Besuchs ein Mitbringsel zu erwerben. Neben den berühmten Jakobsmuscheln aus dem spanischen Santiago de Compostela waren dies im 13./14. Jahrhundert vor allem aus Blei-Zinn-Legierungen gefertigte Zeichen, die etwa an eine Kopfbedeckung angenäht werden konnten. Die mitgeführten Zeichen stellten ihre Träger auch auf dem Heinweg unter den Schutz des Heiligen und trugen dessen Segen bis zu ihnen nach Hause, wo sie als Erinnerungsstücke und für die persönliche Andacht dienten.
Tobias Schoo, Stadtarchäologe
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