Seltene Urne aus Neetze - „ein archäologischer Beitrag zur Langobardenwanderung“
Unter dieser Überschrift beschäftigte sich der ehemalige Lüneburger Museumsdirektor Gerhard Körner mit einer ganzen Reihe von Grabfunden, mit denen er die Wanderung des germanischen Stammes der Langobarden vom Niederelbegebiet bis zu ihrer Ankunft im Gebiet des heutigen Norditalien im Jahre 568 nachzuweisen suchte.
Inzwischen hat sich dieser über Jahrhunderte hinziehende Vorgang innerhalb der historischen Forschung durchgesetzt; dies nicht zuletzt deshalb, weil man das Skelettmaterial aus den langobardischen Gräberfeldern des heutigen Österreichs und Ungarns quasi vom Vorabend ihres Einfalls in Italien mit den jüngeren Bestattungen ihrer neuen italienischen Heimat genetisch untersuchte, miteinander verglich und tatsächlich auch eindeutige Übereinstimmungen innerhalb des untersuchten Erbgutes fand. Eine bisher nur durch vergleichsweise wenige historische Quellen gestützte und durch eine erst sehr viel später schriftlich fixierte Ursprungssage belegte Wanderung fand somit ihre naturwissenschaftliche Stütze.
In erster Linie jedoch war damit nur der letzte Teil jener Wanderung belegbar, der Ausgangspunkt in hiesigen Breiten entzog sich bis dato weitgehend solch modernen Untersuchungsmethoden. Im Wesentlichen ist dies dem Wandel der langobardischen Bestattungssitten auf deren Weg gen Süden geschuldet: Während sie hierzulande mehrheitlich verbrannt und in Urnen beigesetzt wurden, dominierte weiter südlich bereits die Körperbestattung. Von den seltenen Körpergräbern in den Ausgangsregionen der langobardischen Völkerwanderung lag zudem kaum verwertbares genetisches Material vor. Es stellte sich somit die Frage, ob sich nicht innerhalb der materiellen Kultur aus den langobardischen Gräbern etwas finden könnte, das Anfangs- und Endpunkt jener Wanderung gewissermaßen miteinander verbinden könnte. An dieser Stelle nun kommt erneut ein Fundort ins Spiel, der bereits in dem eingangs zitierten Aufsatz Körners eine Rolle spielte. Es handelt sich um den Urnenfriedhof von Boltersen, dessen Ausläufer sich einst bis in die Nachbargemarkung Neetze erstreckte. Dort hatte man in den Sechzigerjahren eine Urne, ein sogenanntes beutelförmiges Rippengefäß gefunden und dem Lüneburger Museum übereignet - ein hierzulande wahrhaft seltener Fund.
Nicht jedoch auf den langobardischen Gräberfeldern im heutigen Österreich und Ungarn; dort findet man sie als Beigefäße in Körpergräbern, oft sogar noch mit
zusätzlichen Verzierungen unterhalb des Randes versehen.
Überspitzt formuliert könnte man also sagen, dass dieses unscheinbare Gefäß tatsächlich Ausgangs- und Endpunkt der Langobardenwanderung miteinander verbindet.
Dietmar Gehrke, Kurator Museum Lüneburg für die ur- und frühgeschichtliche Archäologie / Kreisarchäologe
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