Ein Fund aus den Anfangstagen der hiesigen Archäologie
Diese Urne ist ohne Frage ein sorgfältig gearbeitetes und vor allem auch recht gut erhaltenes Exemplar, welches in ähnlicher Form häufig bei Ausgrabungen auf den Urnenfriedhöfen der Region gefunden wurde. Bemerkenswert ist in diesem Fall vor allem der Weg, auf dem sie ins Museum kam.
Tatsächlich gelangte sie lange vor dem Beginn der Aufnahme einer regulären Ausgrabungstätigkeit in die Lüneburger Museumssammlung; sie ist daher ein Produkt reinen Sammlerfleißes, wie er in den gelehrten Schichten des 18. Jahrhunderts auch hierzulande häufiger anzutreffen war.
Die Aufbewahrungsorte jener frühen Sammlungen wurden als Raritätenkabinette bezeichnet, kleine private „Museen“ bzw. Sammelstuben, eingerichtet in der Tradition der mittelalterlichen fürstlichen Wunderkammern. Ein solches Museum befand sich auch in der Lüneburger Ritterakademie im ehemaligen Michaeliskloster. Dessen Sammlung wiederum bildet den Grundstock der heutigen Lüneburger Museumssammlung. Über den Umweg des Museums der Ritterakademie gelangten auch einzelne Exponate aus weiteren, älteren Privatsammlungen in Museumsbesitz, darunter auch einige Stücke aus dem Besitz des Celler Hofarztes Daniel Taube (1727 - 1799), dem Lüneburg unter anderem auch eine häufig zitierte Beschreibung seines Kalkberges verdankt - und eben auch diese Urne.
Von ihr wissen wir nur, dass sie aus der Uelzener Region stammt, in der Taube – und mit ihm noch Dutzende weiterer Forscher nach ihm – häufig auf der Suche nach Altertümern unterwegs war. Taube war sowohl bei den Uelzener Brautbergen als auch mit einer ganzen Reihe weiterer früher Gelehrter an den ersten dokumentierten Ausgrabungen in Bohlsen bei Gerdau unweit Ebstorf beteiligt bzw. mit den dortigen Ausgräbern bestens bekannt. Es spricht daher einiges dafür, diese Urne ebenfalls jenem Fundplatz zuzuordnen. Dass man ausgerechnet bei Bohlsen bereits im 18. Jahrhundert nach Altertümern grub, liegt in der Sage von der Normannenschlacht begründet, die dort angeblich im Jahre 880 ausgefochten worden sein soll.
Diese Schlacht hat wohl tatsächlich auch stattgefunden, wahrscheinlich jedoch nicht – wie die Sage es will – hierzulande, sondern im Stader Raum. Die Überlieferung jedoch hat diesen Vorgang, und auch die Begräbnisorte der Gefallenen, an den Rand des Süsingwaldes verlegt, und zwar dorthin, wo ihnen zum Gedächtnis das Kloster Ebstorf errichtet wurde. Sogar auf der weltbekannten Ebstorfer Weltkarte, entstanden um 1300, sind noch die sog. Märtyrergräber eingezeichnet – von den in der Schlacht gefallenen Grafen stammten übrigens drei wirklich aus dieser Gegend!
Zu Zeiten der ersten Ausgrabungen in diesem Gebiet im 18. Jahrhundert hielt man daher die eisernen Schmuckstücke in den Urnen auch wirklich für das „Pferdegeschirr“ gefallener Wikinger.
Heute, nach jahrzehntelanger archäologischer Forschung, wissen wir, dass jene dort gefundene Urnen, von denen ein Exemplar hier gezeigt wird, allerdings um die 1.000 Jahre älter sind und nicht wikingische, sondern stattdessen – wenn man durchaus will – langobardische „Asche“ enthalten! Jene Sage wurde jedoch in den ältesten Berichten gelehrter Sammler derart häufig erwähnt, dass tatsächlich davon auszugehen ist, in ihr auch eines der möglichen Motive für den Beginn der ersten archäologischen Forschungen in unserer Region zu sehen.
(Dietmar Gehrke)
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