Die Schwanenfibel aus Boltersen/ Rullstorf
Frühmittelalterliche Gewandschließe: Schwanenfibel aus Boltersen/ Rullstorf.
Fundort: Rullstorf FStNr. 8, Inv.-Nr. 241:84; Datierung: 2. Hälfte 8. Jahrhundert.
Diese Fibel ist weit mehr als nur eine Nadel zum Verschließen eines Kleidungsstückes. Dennoch musste sie nach ihrer Auffindung beim Zaunpfahlsetzen zunächst eine lange Zeit zwischen Nägeln und Schrauben in einer Werkzeugbank des Finders verbringen.
Erst als dieser sich entschlossen hatte, gegen Ende der Fünfzigerjahre seinen Fund dem Lüneburger Museum zu schenken, wurde darin ein herausragendes Schmuckstück aus dem 8. Jahrhundert erkannt. Als "Schwanenfibel von Boltersen", benannt nach dem Wohnort des Finders, hielt er Einzug in die archäologische Fachliteratur.
Dass seine ursprüngliche Fundortangabe falsch war, zeigten erst Nachforschungen im Zusammenhang mit der 1979 begonnenen Ausgrabung des Sachsenfriedhofes im benachbarten Rullstorf durch das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege. Man fand heraus, dass die Schwanenfibel tatsächlich auf dem Gelände des Rullstorfer Sachsenfriedhofes gefunden worden war!
Die Bronzefibel aus der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts zeigt einen nach rechts schwimmenden oder sitzenden Schwan, der eine Schlange im Schnabel hält.
Kopf und Schwanz der Schlange treffen im Bereich des Schwanzgefieders des Vogels aufeinander. Möglicherweise handelt es sich bei der Schlange um die sog. Midgardschlange, die in der altgermanischen Mythologie von dem verschlagenen Gott Loki abstammte und als bösartiges Ungeheuer angesehen wurde. Der Schwan hingegen wurde in Mythologie und Dichtung mit den Walküren in Verbindung gebracht. Diese führten die gefallenen Krieger in das Jenseits und überwanden so den Tod. Zudem konnte eine Walküre durch das Anlegen des Schwanenkleides Unsterblichkeit erlangen. Zur Walküre konnte eine Frau werden, wenn sie beispielsweise im Kindbett starb.
Gerade dieser Aspekt erinnert stark an das spätere, christliche Engelsmotiv. Die Überwindung des Todes, zentrales Thema in der Symbolik dieser Fibel, ist zugleich ein elementarer Bestandteil des Christentums, dessen beginnender Einfluss sich später in Gestalt verschiedener sog. Heiligenfibeln zeigt, die man in Rullstorf selbst, aber auch im benachbarten Bardowick und Ochtmissen mehrfach fand.
(Dietmar Gehrke)
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