Shake it! Ein mittelalterliches Kinderspielzeug aus Lüneburg
Auf den ersten Blick wirkt das seit einiger Zeit auf dem Schreibtisch im „Archäologie-Keller“ des Museums verweilende kleine Objekt unscheinbar. Es scheint sich um eine rohe Keramikkugel zu handeln, an der mit eher mittelmäßigem Erfolg ein grober Griff angesetzt worden ist. In seiner Schmucklosigkeit erscheint dieses Dingchen wenig spektakulär.
Erst wenn man das Objekt in die Hände nimmt, offenbart es seine wahre Funktion und es lassen sich einige weitere Details erkennen. Überrascht nimmt man zur Kenntnis, dass das Objekt Töne von sich gibt! Tatsächlich handelt es sich um eine mittelalterliche Rassel. Dutzende von Vergleichsfunden lassen erahnen, dass aus Keramik hergestellte Kinderspielzeuge im Mittelalter eine weite Verbreitung fanden. Neben Miniaturausgaben von klassischem Koch- und Trinkgeschirr – wahrscheinlich in mittelalterlichen Puppenstuben dringend gebraucht – sowie kleinen Tier- und Reiterfigürchen waren auch Rasseln meist aus gebranntem Ton gefertigt.
Im Inneren der Rassel befindet sich ein Keramikkügelchen oder ein kleiner Stein, welcher beim Schütteln der Rassel an die Keramikwandung schlägt und so die Töne erzeugt. Die Lüneburger Rassel besitzt im Griffbereich ein kleines Loch, welches noch vor dem Brand im Töpferofen in den Ton des Griffes gestochen worden ist. Offensichtlich konnte man die Rassel an einer Kordel aufhängen, damit diese nicht so leicht verloren gehen konnte. Auf den zweiten Blick fällt zudem auf, dass die Rassel nicht ganz so schmucklos ist, wie zu Beginn vermutet. So sind auf beiden Seiten der Rassel mehrere von oben nach unten geführte Streifen aus roter Farbe erhalten. Diese Verzierungsform ist im Mittelalter z.B. im Rheinland verwendet worden. Es könnte sich bei der Rassel somit um ein Importstück handeln, welches seiner kleinen Besitzerin oder seinem kleinen Besitzer von einer mehrtägigen Reise mitgebracht worden ist.
Das Lüneburger Stück kam um das Jahr 1933 mit dem Hinweis „Nordseite Michaelis“ in die Sammlung des Museums. Ein genauerer Fundort ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu ermitteln. Es muss demnach offenbleiben, ob die Rassel auf dem Gelände des Klosters oder im unmittelbar angrenzenden Wohnbereich gefunden wurde. Eine Datierung gestaltet sich ohne nähere Informationen schwierig. Vergleichbare Rasseln lassen sich allerdings bereits im Hohen Mittelalter nachweisen. Das Lüneburger Stück könnte somit ohne Probleme ins 12./13. Jh. datieren.
Zu einem unbekannten Zeitpunkt zerbrach die Rassel in zwei Teile und wurde entsorgt. Auch wenn der Verlust des Spielzeugs im Mittelalter vermutlich zu einem tränenreichen Abschied führte, freut sich das Museumsteam heute über das spannende Fundstück.
(Tobias Schoo, Kurator Archäologie/ Stadtarchäologe)
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