Pfeilspitzen aus dem sogenannten „Wilden Westen“
Innerhalb der Sammlung des Lüneburger Museums gibt es über ein Dutzend Pfeil- und Speerspitzen, die auf den ersten Blick nicht in das das Formenspektrum der archäologischen Funde aus der hiesigen Region passen wollen.
Tatsächlich handelt es sich um die Waffen nordamerikanischer Indianer, deren Vorfahren bereits seit deutlich über 15.000 Jahren den amerikanischen Doppelkontinent durchstreiften.
Doch wie kamen diese Projektilspitzen nach Niedersachsen?
In den Jahresberichten des Lüneburger Museumsvereins für das Jahr 1886 findet sich der Hinweis, dass die „… vorgeschichtliche Abtheilung … außer vielen kleinen Stücken und Funden eine Ergänzung erhalten hat durch den Erwerb zahlreicher Stücke aus der noch nicht lange entschwundenen Steinzeit der Indianer Nordwest-Amerikas.“
Weitere Informationen sind dem Sammlungskatalog des Museums zu entnehmen; wir erfahren dort eine Vielzahl von Fundorten aus dem Norden und Nordwesten der USA, darunter New Jersey, Ohio, Illinois, das Dakota-Territorium, Indiana, Kentucky, Montana und andere US–Bundesstaaten, die seinerzeit durch einen hohen Anteil deutschstämmiger Einwanderer hervortraten.
Bei einigen dieser Projektilspitzen werden sogar ihre Vorbesitzer aufgeführt und geben weitere Hinweise auf ihre Herkunft. Genannt werden beispielsweise die Namen Karstens, Koch und Kara.
Über den weiteren Weg dieser Funde nach Lüneburg kann allerdings nur spekuliert werden, nicht zuletzt deshalb, weil ihre Beschriftung sich nicht mehr erhalten hat.
In Niedersachsen konnten noch weitere Pfeilspitzen offenkundig indianischer Herkunft in verschiedenen Museums- und Privatsammlungen ausfindig gemacht werden. Verwirrend waren bei einigen dieser Artefakte lediglich die Fundortangaben. Diese befinden sich nämlich nicht in den USA, sondern ganz offensichtlich fälschlich in der Nähe hiesiger prähistorischer Stätten, meist waren es Hügelgräber. Offensichtlich war zum Zeitpunkt der Fälschung ihrer Fundorte das Wissen um den überseeischen Ursprung dieser Pfeilspitzen bereits verloren gegangen.
Einen größeren Anteil der im Museum Lüneburg verwahrten Projektilspitzen möchte man am ehesten der sog. paläoindianischen Zeit bzw. auch dem Übergang zur sog. archaischen Periode zurechnen, jenem zeitlichen Bereich, in dem – zumindest in einigen Regionen Amerikas – auch Keramik und erste Ansätze von Ackerbau erstmalig eine gewisse Rolle zu spielen beginnen.
Einige der älteren dieser aus Feuerstein gefertigten Artefakte ähneln jenen, die von amerikanischen Archäologen der sog. Clovis–Kultur zugerechnet und in Südamerika aufgrund ihrer Form als Fischschwanz-Spitzen bezeichnet werden; etwas jüngere Exemplare werden oft Folsom–Spitzen genannt.
Doch wie fanden sie nun ihren Weg in die Lüneburger Museumssammlung?
Wollte man – wie im Falle einiger weiterer Funde aus Mittel- und Südamerika – dem heimischen Lüneburger Museum damit weltstädtischen Glanz verleihen? Welche Rolle spielten dabei die zahlreichen Auswanderer, die gerade in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von hier aus in Richtung Amerika aufbrachen, dabei jedoch oft genug in Kontakt mit der alten Heimat blieben oder gar zurückkehrten? Schließlich war es auch jene Zeit, in der Karl May und andere mit ihren Romanen über jenen Teil der Welt die Faszination für dessen Bewohner kommerziell äußerst erfolgreich befeuerten.
Dietmar Gehrke, Kreisarchäologe / Kurator ur- und frühgeschichtliche Archäologie Museum Lüneburg
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