Ein kostbares Trinkglas

Ein kostbares Trinkglas aus dem 18. Jahrhundert aus einer Lüneburger Kloake

Die Stadtarchäologie Lüneburg hat bei ihren Untersuchungen in der historischen Altstadt immer wieder überraschende Entdeckungen gemacht. Ein besonderer Fund war Ende 2023 ein hochverziertes Trinkglas aus dem dritten Viertel des 18. Jahrhunderts, das in einer riesigen Backsteinkloake in einem Haus in der Schlägertwiete zum Vorschein kam. Das Glas ist ein seltenes Zeugnis der Glasbläserkunst dieser Zeit und zeigt die Verbindung Lüneburgs zu anderen europäischen Regionen, insbesondere den Niederlanden.

Foto einer Ausgrabung einer Kloake
Die Backsteinkloake

Die Backsteinkloake, in der das Glas gefunden wurde, ist ein beeindruckendes Bauwerk, das im 17. Jahrhundert bereits vorhanden war und vermutlich im Spätmittelalter errichtet wurde. Es handelt sich um einen runden Schacht mit einem Durchmesser von 3,95 m und einer noch erhaltenen Tiefe von 3,37 m und die Wände bestehen aus vermörtelten Backsteinen. Die Kloake wurde im Laufe der Zeit mehrfach verfüllt und wieder geleert.

Bei der Ausgrabung der Kloake kamen in den unteren Verfüllschichten zahlreiche spannende Objekte des 17. und 18. Jahrhunderts zum Vorschein, die einen Einblick in das Alltagsleben der damaligen Bewohner des Hauses geben. Darunter auch das guterhaltene, kunstfertige Trinkglas.

Das seltene „gewurmte Glas“

Das Trinkglas, das aus der Kloake geborgen wurde, ist ein sogenanntes „gewurmtes Glas”, eine Form, die in historischen Quellen so bezeichnet wurde und in unseren Breiten noch sehr selten ist. Charakteristisch für diese Gläser ist eine besondere Verzierung des Stiels, die aus einer oder mehreren „Luftgirlanden“ besteht.

Bei dieser Technik wird von den Glasbläsern zunächst mithilfe eines Werkzeugs eine Vertiefung in eine vorbereitete Glasmasse gedrückt. Auf die eingekerbte Glasmasse wird dann im zweiten Schritt noch etwas mehr Glasschmelze aufgebracht. Durch deren Viskosität wird eine Luftblase eingeschlossen, die in den nächsten Arbeitsschritten gedreht und auf die erforderliche Dicke und Länge ausgezogen wird.

Schlägertwiete Hohlglas drittes Viertel 18. Jh
Das Lüneburger Exemplar ist besonders kunstvoll gestaltet, wie die doppelte Ausführung der Luftgirlanden zeigt. So ist zunächst ein netzartiges Spiralkabel im Inneren angelegt worden, um das sich ein Spiralfaden windet. Diese Technik erforderte viel Geschick und Erfahrung und war daher nur bei hochwertigen Gläsern zu finden. Hergestellt wurden diese kunstfertigen Gläser im 18. Jahrhundert in England und in den Niederlanden. Da in Lüneburg schon mehrfach niederländisches Glas aus dieser Zeit gefunden wurde, liegt es nahe, dass auch das „gewurmte Glas“ aus den Niederlanden stammt.

Lüneburg hatte im 17. und 18. Jahrhundert enge Handelsbeziehungen zu den Niederlanden, die sich auch in der Wohn- und Tafel-Kultur der Stadt widerspiegelten. Das gewurmte Glas ist daher ein Zeichen für den Wohlstand und den Geschmack der Lüneburger Bürger, die sich solche luxuriösen Gläser leisten konnten.

Das Schicksal des Glases

Das gewurmte Glas aus der Backsteinkloake ist nicht mehr vollständig erhalten. Es weist sowohl an der Unterseite des Fußes als auch im Bereich der Kuppa Fehlstellen auf, die vermutlich durch einen Sturz verursacht wurden. Das Glas ist also irgendwann im 18. Jahrhundert zerbrochen und wurde dann als nutzloser Müll in die Kloake geworfen.

Der ursprüngliche Besitzer des Glases ist nicht bekannt, aber er muss sich sicherlich sehr über den Verlust dieses kostbaren Stücks geärgert haben. Was auch immer die Geschichte des Glases war, es ist nun ein wertvoller Fund für die Stadtarchäologie Lüneburg, der die Vergangenheit der Stadt lebendig macht.

Tobias Schoo M.A., Stadtarchäologe und Kurator Archäologie im Museum Lüneburg

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