Modell eines mittelalterlichen Backofens aus Glüsingen bei Betzendorf

Modell: E. Klinge (AG Urgeschichte Lüneburg) / Foto: Museum Lüneburg

Da die Überreste eines mittelalterlichen Backofens in Glüsingen, dessen Ausgrabung im Juli 1994 abgeschlossen werden konnte, nicht mehr sichtbar sind, wurde auf der Grundlage der Grabungspläne dieses Modell angefertigt. Zu sehen ist, dass im Zentrum der Grabungsfläche eine dicke, mehrschichtige Lehmschicht festgestellt wurde, unter der man eine ganze Reihe von Scherben des frühen Mittelalters fand. Funde dieser Zeitstellung wurden schon seit vielen Jahren immer wieder in den Orten nördlich und südlich des großen Waldgebietes des Süsings entdeckt – passend zur historischen Überlieferung. So ist beispielsweise bekannt, das das sächsische Grafengeschlecht der Bardonen dort einst über größere Besitzungen verfügte. So sollen auch die Ortsnamen Barnstedt und Bardenhagen auf sie zurückzuführen sein; der Ort Tellmer ist sogar schon 988 belegt.

Im Lichte dieser Grabungsfunde konnte somit auch die mutmaßliche Gleichsetzung des 1104/05 erstmalig erwähnten (und in Niedersachsen mehrfach vorhandenen!) Ortes Glüsingen mit dem gleichnamigen Ort der Gemeinde Betzendorf weiter erhärtet werden.

Besagte Scherben markieren den Beginn der Ofenanlage und wahrscheinlich somit auch das Entstehungsdatum des Dorfes. Eine dieser Scherben trägt eine Stempelverzierung und besitzt eine direkte Parallele aus der Hamburger Region, die auf dem Falkenberg bei Neugraben gefunden wurde; weitere Parallelen stammen von einer Burgwallgrabung im Stader Raum.

In Glüsingen wurden auf der gesamten Grabungsfläche Lehmbrocken festgestellt, die kleine verkohlte Holzstückchen umschlossen. Hier handelte es sich offensichtlich um die Reste mehrerer Ofenkuppeln, die immer wieder einmal erneuert werden mussten und die aus einer mit Lehm verkleideten Rutenflechtwerk bestanden. Zumindest die dörflichen Backöfen hielten noch bis ins Mittelalter fast durchweg am Schema dieser einfachen, seit der Steinzeit bekannten Lehmkuppelöfen fest. Genügte eine Backfläche den Ansprüchen nicht mehr, weil beispielsweise ihre Oberfläche gesprungen war und rissig wurde, überzog man auch sie einfach mit einer Reihe sorgfältig ausgewählter Steine und mit einer neuen Schicht Lehm.

Auf diese Weise entstanden eine ganze Reihe von Backflächen, die dann bei der Ausgrabung übereinander liegend angetroffen werden konnten. Die Zubereitung des dazu erforderlichen Lehms soll ganze acht Tage gedauert haben. Die Interpretation der Glüsinger Befunde als Überreste eines Backofens wird auch durch den Fund zweier Backmesser gestützt.

Dietmar Gehrke, Kurator Museum Lüneburg für die ur- und frühgeschichtliche Archäologie / Kreisarchäologe

Zurück zur Übersicht Archäologische Objekte
Zurück zur Übersicht der Sammelgebiete