Überraschung im Gedenkjahr 2025: 70 Jahre nach ihrem rätselhaften Verschwinden ist die bronzene Gedenkplatte des britischen Kapitulationsdenkmals vom Timeloberg bei Lüneburg wieder aufgetaucht. Die Tafel erinnert an die Teilkapitulation der Wehrmacht am 4. Mai 1945 gegenüber Feldmarschall Bernard Montgomery – ein Schlüsselmoment in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs in Europa.
1955 wurde sie vom Denkmal gestohlen und galt seither als verschollen. Ihre Rückkehr nach Lüneburg ist das Ergebnis jahrelanger Recherchen, anonymer Hinweise und einer diskreten Übergabe, die an einen Agentenkrimi erinnert. Die Geschichte des Diebstahls wirft zugleich ein Schlaglicht auf die deutsche Nachkriegsgesellschaft – auf eine Zeit, in der viele die NS-Vergangenheit vergessen wollten und manche sich bemühten, sie aktiv unsichtbar zu machen.
Das Museum Lüneburg zeigt die Bronzeplatte ab sofort im Rahmen seiner laufenden Sonderausstellung „Surrender 45 – Lüneburg im Fokus der Weltöffentlichkeit“.

Das Denkmal auf dem Timeloberg, vor dem Diebstahl 1955
(© Sammlung Hans-Joachim Boldt)
Vom Denkmal zum blinden Fleck der Erinnerung
Im November 1945 errichtete eine Einheit der Royal Engineers auf dem Timeloberg bei Wendisch Evern das sogenannte Victory-Hill-Monument – genau an jenem Ort, an dem eine deutsche Delegation unter Generaladmiral Hans Georg von Friedeburg die Kapitulation für Nordwesteuropa unterzeichnet hatte. Doch das Denkmal geriet bald ins Visier gezielter Störungen: Immer wieder kam es zu Beschädigungen, bis im Mai 1955 schließlich die zentrale Inschriftenplatte gestohlen wurde. Die Täter blieben unbekannt; ein Nachguss ersetzte die ursprüngliche Bronzetafel.
Nicht zuletzt aufgrund dieses Vorfalls ließen die Briten bei ihrem Abzug 1958 das gesamte Monument abbauen und nach England bringen. Heute steht es auf dem Gelände der Militärakademie in Sandhurst.
Am Originalstandort wuchs buchstäblich Gras über die Sache – eine Form des Vergessens, die den Motiven der Täter entsprach. Mit Teerfarbe hatten sie auf dem Sockel die Botschaft hinterlassen: „Lasst uns die Vergangenheit vergessen!“

Botschaft der Täter von 1955
(© Sammlung Hans-Joachim Boldt)
Chronist auf Spurensuche – und ein Kreis, der sich schließt
Hans-Joachim Boldt, pensionierter erster Kameramann beim NDR und leidenschaftlicher Lüneburg-Sammler, wurde 1995 – zum 50. Jahrestag des Kriegsendes – erstmals auf das Verschwinden der Gedenkplatte aufmerksam. Von da an ließ ihn der Fall nicht mehr los. Über Jahrzehnte hinweg sammelte er Hinweise, verfolgte Spuren und rekonstruierte nach und nach die Geschichte der verschwundenen Tafel – zurück bis in die 1950er-Jahre.
Für Boldt steht heute fest: Der Diebstahl im Mai 1955 geht auf eine Gruppe der Uelzener Turnerjugend zurück. Die Jugendlichen sollen die Tafel in einem Waldstück vergraben und sich dort über Jahre hinweg zu Sonnwendfeiern versammelt haben. Jahrzehnte später wollte einer der Beteiligten gegenüber Boldt reinen Tisch machen – verstarb jedoch, bevor es zu einem Gespräch kam. Immer wieder schien die Tafel zum Greifen nah, doch endete die Suche mehrmals in Sackgassen.

Montgomery besucht Victory Hill, 1958
(© Stadtarchiv Lüneburg)
Im Vorfeld der Ausstellung „Surrender 45 – Lüneburg im Fokus der Weltöffentlichkeit“, an der Boldt als Berater mitwirkt, kam 2024 neue Bewegung in den Fall. Es meldete sich ein Hinweisgeber bei Boldt: Die Tafel sei 2023 auf einem Recyclinghof aufgetaucht und habe seither mehrfach den Besitzer gewechselt – zuletzt durch einen Tausch auf einem Autoteilemarkt über Ostern 2024. Die Informationen blieben jedoch vage und bewusst unkonkret. Trotz Einschaltung der Polizei drohte der Versuch, den aktuellen Besitzer zu ermitteln, erneut zu scheitern.
Auch Eberhard Manzke wurde nun auf die verwickelte Geschichte der Bronzetafel aufmerksam. Die von ihm gegründete Friedensstiftung Günter Manzke, die sich seit 30 Jahren gegen das Vergessen engagiert und auch die Ausstellung fördert, sagte sofort ihre Unterstützung zu. Schließlich gelang einem Mitarbeiter der Manzke-Gruppe der Durchbruch: Er konnte die Spur wieder aufnehmen und eine diskrete Rückgabe auf einem Supermarktparkplatz organisieren. Am 15. Mai 2025 – fast auf den Tag genau 70 Jahre nach dem Diebstahl – trat die Bronzetafel wieder in das Licht der Öffentlichkeit.
Zwei Tage später, am 17. Mai 2025, wurde die Tafel im Rahmen der Verleihung des Günter-Manzke-Friedenspreises offiziell an das Museum Lüneburg übergeben.

Präsentation der Gedenktafel vom Timeloberg im Museum Lüneburg, von links: Dr. Ulfert Tschirner, Ehepaar Manzke, Prof. Dr. Heike Düselder, Karin-Ose Röckseisen, Randolf von Estorff
(© Museum Lüneburg)
Ausstellung im Museum Lüneburg in Abstimmung mit britischen Partnern
Das Museum Lüneburg zeigt die lange verschollene Gedenkplatte ab sofort in der Sonderausstellung „Surrender 45 – Lüneburg im Fokus der Weltöffentlichkeit“. Für Museumsdirektorin Prof. Dr. Heike Düselder ist das Exponat auch ein Symbol gemeinsam geteilter Erinnerungen
„Die Bronzeplatte wurde einst von deutschen Tätern entfernt – umso wichtiger ist es uns, sie heute gemeinsam mit britischen Partnern öffentlich sichtbar zu machen.“
–Prof. Dr. Heike Düselder, Leiterin Museum Lüneburg
Lady Arabella Stuart-Smith und Lord Henry Montgomery, Nachfahren von Feldmarschall Montgomery, zeigen sich sehr erfreut darüber, dass die bronzene Gedenkplatte dank der Unterstützung der Günter-Manzke-Friedensstiftung wiedergefunden werden konnte:
„Es ist sehr passend, dass die Tafel nun im Rahmen der Ausstellung Surrender 45 im Museum Lüneburg gezeigt werden kann – als Erinnerung an den historischen Moment des 4. Mai 1945, der das Ende des Konflikts in Nordeuropa markierte.“
– Lady Arabella Stuart-Smith & Lord Henry Montgomery

Museumleiterin Prof. Dr. Heike Düselder und Dr. Peter Johnston, Sammlungsdirektor des Londoner Imperial War Museum, vor der Bronzeplatte im Museum Lüneburg (© Museum Lüneburg)
Zur Präsentation sind auch der britische Militärattaché, Colonel Benjamin Davenport, und der Sammlungsdirektor des Londoner Imperial War Museum, Dr. Peter Johnston, eingeladen. Colonel Davenport begrüßt die Pläne des Museums:
„Das Museum Lüneburg ist ein besonders geeigneter Ort, um dieses Stück britisch-deutscher Geschichte zu zeigen – gerade jetzt, da wir das Ende des Zweiten Weltkriegs gemeinsam als Freunde und Verbündete gedenken.“
– Colonel Benjamin Davenport, britischer Militärattaché
Und Johnston ergänzt:
„Es ist beeindruckend, dass ein solches Objekt so viele Jahre nach Kriegsende wieder auftaucht – und neue Generationen dazu anregen kann, über die Vergangenheit nachzudenken.“
–Dr. Peter Johnston, Sammlungsdirektor des Imperial War Museum London
Vorbehaltlich der juristischen Klärung der Eigentumsrechte strebt das Museum an, die Tafel später auch in die Dauerausstellung zu integrieren – als historisches Zeugnis des Kriegsendes von 1945 und als Symbol für den Umgang mit Erinnerung und Verdrängung. Schließlich sei das Wiederauftauchen der Platte ein Zeichen dafür, dass sich Geschichte eben nicht einfach begraben und dauerhaft vergessen lässt.
Sonderausstellung im Museum Lüneburg
Laufzeit:
3. Mai bis 2. November 2025
Ort: Museum Lüneburg
Weitere Details zur Ausstellung lesen Sie hier
Umfangreiches Begleitprogramm
mit Vorträgen und Zeitzeugengesprächen unter: www.museumlueneburg.de
Ausstellungsgestaltung und Szenografie:
Uwe Franzen
Leihgeber zahlreicher Ausstellungsexponate:
Hans-Joachim Boldt
Fotomaterial und Ansprechpartner
Die hier veröffentlichten Fotos stellen wir Ihnen gern zum Abdruck zur Verfügung. Bei weiteren Fotowünschen sprechen Sie uns gern an.
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